Schlagwort-Archive: nicole marischka

Allein und verraten – Mobbing und die Folgen


Gestern wurde in der ARD ein packender und erschreckend authentischer Film zum Thema Mobbing ausgestrahlt. Das preisgekrönte Drama „Homevideo“ beschäftigt sich mit dem allgegenwärtigen Thema Cyber-Mobbing, sogenanntes ‚Cyber-Bullying‘. Der 15-jährige Jakob, fantastisch gespielt von Jonas Nay, wird ungewollt zum Opfer einer hinterhältigen und widerlichen Hetzkampagne an seiner Schule. Dort ist er nur mittelmäßig erfolgreich und eher introvertiert. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung durch die anstehende Trennung seiner Eltern. Durch die Verkettung unglücklicher Umstände verleiht Jakobs Mutter (gespielt von Nicole Marischka) seine Videokamera an einen Schulfreund. Was sie nicht weiß, auf der Speicherkarte befinden sich sehr private Aufnahmen ihres Sohnes. Um genauer zu sein hat sich Jakob beim Masturbieren gefilmt. Nachdem seine Klassenkameraden Eric und Henry sich erst überlegen die Speicherkarte zu entsorgen, landet das Video durch Henry trotz alledem im Netz. Die Katastrophe ist perfekt und die virtuelle und reale Hetzjagd beginnt. Auch Hannah, Jakobs heimlichem Schwarm aus der Schule, wird das Video per E-Mail geschickt. Nicht nur das er ihr darin seine Liebe gesteht, hinzu kommt das peinliche Video beim Onanieren. Sie lässt ihn daraufhin fallen, fühlt sich bloßgestellt und blamiert. Verzweiflung, Hilflosigkeit und Ohnmacht lähmen den Schüler und bringen ihn schlussendlich dazu eine folgenschwere Entscheidung zu treffen. Am Ende des Films nimmt sich Jakob mit der Dienstwaffe seines Vaters (gespielt von Wotan Wilke Möhring), der Polizist ist, das Leben. Harter Tobak, dass steht fest. Überspitzt, Fantasie, unrealistisch? Keineswegs. Sondern die blanke und schonungslose Realität. In der anschließenden Diskussion bei Anne Will ging es auch um das Thema ‚Cyber-Bullying‘. Einer der Gäste, Studentin Lisa Loch. Sie wurde vor einigen Jahren selbst zum Opfer und in Stefan Raabs Sendung „TV Total“ durch den Kakao gezogen. Sie nahm als 16-jährige an einem Model- wettbewerb teil und fiel Comedian Raab aufgrund ihres „amüsanten“ Namens ins Auge. Der zeigte über sechs Monate insgesamt in vier Sendungen den Ausschnitt der Schülerin und spickte das Ganze auf seine ganz typische Art. Sie klagte gegen Raab und gewann. Der Moderator musste Lisa Loch 70.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Ein Prozess und vor allem ein Sieg auf ganzer Linie, vor der ihr und ihrer Mutter vorher wehemennt abgeraten wurde. Denn wer verklagt schon einen großen TV-Sender, geschweigedenn Stefan Raab? Im Studio bei Talkerin Anne Will war auch Michaela Horn, deren 13-jähriger Sohn Joel, sich aufgrund von Cyber-Mobbing, das Leben nahm. Sie sprach eindrucksvoll und immer wieder den Tränen nahe über den schwersten Verlust ihres Lebens. Denn Mobbing und vor allem das sogenannte Cyber-Mobbing übers Internet ist in der heutigen Gesellschaft immer noch ein Tabuthema und wird, vor allem aus Hilflosigkeit der Angehörigen und Betroffenen, totgeschwiegen. Die Staatsanwalt und die ermittelnden Behörden in Klagenfurt/Österreich stellten die Untersuchungen im Fall des 13-jährigen Joel Horn damals ohne Ergebnis ein. Der oder die Täter konnten bis zum heutigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Die Mutter bezeichnete dies als Unfähigkeit und zeigte sich entsetzt von soviel Ignoranz der Behörden. Aber warum ist dieses Thema immer noch nicht salonfähig, obwohl Tausende davon betroffen sind. Man kann nur erahnen wie sich Menschen, vor allem junge Menschen, in einer derartigen Situation fühlen. Wenn sie plötzlich ganz allein sind, schutzlos den anonymen Anfeindungen im Cyberspace ausgesetzt. Ausgegrenzt, ausgelacht und diffamiert. Letzter Ausweg Selbstmord!? Die Runde um Anne Will kam zu dem Fazit, dass unbedingt mehr Aufklärung rund um dieses hochsensible Thema betrieben werden muss. Pädagogen müssen besser geschult und auch Schüler besser informiert und in Rollenspielen auf  eventuelle Situationen vorbereitet werden. Denn der richtige Umgang mit Betroffenen kann Leben retten, dass hat der Film aber vor allem auch die Diskussion eindrucksvoll gezeigt.

Foto: NDR/Gordon Timpen/NDR Presse und Information (1), NDR/Wolfgang Borrs/NDR Presse und Information (2)